22. Dezember 2007

Dornröschen


Dornröschen

Die Rosenhecken, denen sie die Nahrung selbst gereicht
winden, schlängeln sich wie Nattern fest um ihre matten Glieder.
Erblindet ist sie, weil ihr Auge nicht den Dornen weicht:
Kurz nur glimmt es brüchig auf, ein schwaches Heben ihrer Lider.

Und kosten ihre Lippen gierig dieses leichte Wehen,
atmen auf das süße Gift, das Rettung falsch verheißt.
Wie furchtbar schmerzt es, dieses kurze einmal wieder Sehen,
dieses Atmen, dieser Hauch, der auf ein Leben weißt,

wenn schon die Blütenranken wieder sich der Sicht verschließen
und ihr Pracht erfülltes Grab sich neu mit Erde deckt,
durch ihre Wasser wohlgenährt, erneut die Dornen sprießen,

wird sie so gelähmt in Schuld und Wohlgeruch versteckt,
zu jeder Tagesstunde ihrer Gitter Grün begießen,
bis ein blinder Narr sie trunken aus dem Schlaf erweckt.


(Originalphoto by Irene Zitzer, www.irene-zitzer.de, bearbeitet)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen